Kritiken zur CD Toccata

Virtuos, herzhaft zupackende, mit spürbarer Emotion aufgeladene Wiedergabe

„Echoes from Austria“ nannte der Pianist Josef Mayr vor vier Jahren seine erste CD – offenbar ein guter, wenn auch nicht schützbarer Titel. Er träfe auf Mayrs zweite CD (bei Extraplatte) ebenfalls zu – sie heißt jedoch „Berühren – Schlagen und enthält vorwiegend Toccaten: 16 Werke für Klavier solo von 14 österreichischen Komponisten, von Hauer und Krenek bis Wolfram Wagner, geschrieben zwischen 1915 und 2002. Das schaut zunächst aus wie ein grässlich belehrendes, eng korsettiertes Programm, klingt jedoch abwechslungsreich, spannend und bietet Entdeckerfreuden. Teils liegt´s an der virtuosen, herzhaft zupackenden, mit spürbarer Emotion aufgeladenen Wiedergabe, teils an der klugen Stückwahl. Fast jede der Piecen hört man sich gerne mehrmals an – ein nicht unwichtiges Kriterium für den Kauf einer CD.
Karl Löbl - KURIER, 15.2.2004

verdienstvolles Unterfangen […] höchst eindrucksvoll […] das Album besticht. […] kostbar und rar.

Vor vier Jahren feierte Josef Mayr sein hochgelobtes CD-Debüt „Echoes from Austria“, das der österreichischen Klaviermusik des 20. und 21. Jahrhunderts gewidmet war. Mit seiner neuen CD setzt er dieses verdienstvolle Unterfangen auf höchst eindrucksvolle Weise fort. Das Album besticht durch zahlreiche Ersteinspielungen, u.a. Wolfram Wagners eigens dafür komponierte Toccata, oder Ernst Kreneks Sonatine aus dem Jahr 1920 (Mayr spielt auch unbekannte Stücke der von den Nazis vertriebenen Komponisten Ruth Schonthal und Gulliermo Graetzer ein). Entdeckenswert: der Beitrag der Grazer Komponistin Sigrid Riegebauer. Kostbar und rar.
Dagmar Kaindl - NEWS, 4.3.2004

wertvolle musikalische Dienste. […] beispielhaft

Ein wenig Nationalstolz sollte erlaubt sein! / Österreichische Pianisten beweisen Initiativkraft.

Auch Josef Mayrs zweite CD unter der Devise „Berühren – Schlagen (Toccata)“ beweist, dass man bei gesunder Einschätzung seiner Fähigkeiten wertvolle musikalische Dienste leisten kann. Es mag manchen jungen Klavierkünstlern beispielhaft sein, wie man das Meist- und Bestgespielte klug umgehen kann, indem man sich etwa in die heimischen Komponistenregionen begibt und dort uneigennützig Aufklärungsarbeit, bzw. Rehabilitation leistet. Ohne Mayrs Initiative wären wohl manche der eingespielten Toccaten und Quasi-Toccaten für lange Zeit nicht ans akustische Licht gekommen.
Peter Cossé - ÖMZ (ÖSTERREICHISCHE MUSIKZEITSCHRIFT), 5.2004

Mayr liefert einen weiteren, ausgesprochen kraftvollen musikalischen Überblick

OHREN AUF!

Pianist Josef Mayr sammelt für sein Album „Berühren – Schlagen“ 21 Toccatas von ganz unterschiedlichen österreichischen Komponisten des 20. Jahrhunderts (bekanntere wie Krenek, Hauer und Takács, vergessene wie Ruth Schonthal oder Guillermo Graetzer, jüngere wie Sigrid Riegebauer oder Wolfram Wagner). Die meisten ihrer Tastenhauer wurden hier zum ersten Mal eingespielt, und Mayr liefert so, wie schon auf dem Vorgänger „Echoes from Austria“, einen weiteren, ausgesprochen kraftvollen musikalischen Überblick en miniature.
Carsten Fastner - FALTER 23.04

CD des Monats in der Zeitschrift klang:punkte, 3.2004

KLANG:PUNKTE, 3.2004

CD der Woche im titel Magazin

Entdeckungen und Probleme

Sie kennen Wolfram Wagner nicht? Und nicht Sigrid Riegebauer? Sie haben noch nie etwas von Erich Eder de Lastra gehört und auch nicht von Helmuth Froschauer? Kein Grund zur Zerknirschung. Woher auch sollte man die Namen jüngerer und nicht mehr ganz so junger Komponisten kennen, wenn ihre Werke kaum aufgeführt werden. Musik ist, anders als Literatur, noch nicht vorhanden, wenn sie gedruckt wird. Sie bedarf der akustischen Umsetzung, der Interpretation. Und so gebührt einem Pianisten wie Josef Mayr Dank und Anerkennung. Statt die immer gleichen Werke der „Klassiker“ ein weiteres Mal auf CDs zu pressen, übernimmt er Verantwortung gegenüber der Kunst zeitgenössischer Komponisten. Er legt eine CD mit Werken wenig bekannter und bekannterer österreichischer Komponisten – darunter auch Ernst Krenek, Hanns Jelinek und Josef Matthias Hauer – vor. 17 der 21 zwischen 1915 und 2002 entstandenen Titel wurden hier erstmals eingespielt! Es sind kleine, manchmal nur rund eine Minute dauernde Stücke, von denen mehrere die Gattungsbezeichnung „Toccata“ tragen. Das italienische Wort „toccare“ bedeutet „berühren“, und dieses Wort, zusammen mit dem Wort „schlagen“, setzt Mayr auch auf die Vorderseite seiner CD. Streng genommen ist das Hammerklavier ja ein Schlaginstrument, und seine Saiten werden einerseits von den Hämmern berührt, während andererseits die Zuhörer im metaphorischen Sinne berührt werden von den Klängen, die diese angeschlagenen Saiten hervorbringen.

Produzierende Künstler beklagen sich gelegentlich darüber, dass sie weniger gefördert werden als reproduzierende Künstler. Diese Klage hat Gründe, die sich nachvollziehen lassen. Aber vielleicht sollte man auch bei den reproduzierenden Künstlern differenzieren und jene bevorzugen, die unbeschrittene Wege gehen und den produzierenden Künstlern – siehe oben – überhaupt erst zur öffentlichen Wahrnehmung verhelfen. Vielleicht sollte man… Die Wirklichkeit sieht bekanntlich anders aus. Josef Mayr wird noch lange Klavier spielen müssen, ehe er die Gage einer Operndiva erhält, die einmal mehr die Koloraturen der Königin der Nacht jodelt.

Toccata vorausgegangen ist die CD [Echoes] from Austria. Neben Klavierstücken von Komponisten, die – wie Ernst Krenek, Egon Wellesz, Ernst Toch, Erich Wolfgang Korngold oder Hans Gál – ins Exil gejagt wurden oder – wie Erwin Schulhoff – im KZ umkamen, begegnet man hier solchen von Nutznießern des Nationalsozialismus – wie Cesar Bresgen, Egon Kornauth, Ernst Ludwig Uray oder Gottfried von Einem, der 1937 ohne Not nach Deutschland ging, um, gefördert vom Parteimitglied Herbert von Karajan, im Dritten Reich Karriere zu machen, während seine jüdischen Kollegen vertrieben und ermordet wurden. Dass nach 1945 die Bresgen, Uray, Einem und – von diesem nun seinerseits dankbar protegiert – Karajan das österreichische Musikleben nachhaltig bestimmten und nicht die Krenek, Korngold, Wellesz, Toch oder Gál, muss um der historischen Wahrheit willen festgehalten werden. In der Musik wie in der Literatur und in den Wissenschaften hat es in Österreich nach dem Ende des Nationalsozialismus weitaus mehr Kontinuität gegeben als Neuanfang oder gar Genugtuung für die Verfolgten und Verjagten, und bis heute wird das allenfalls in Festreden, die von keinen Taten begleitet werden, bedauert. So betrachtet ist Mayrs erste CD mit österreichischer Klaviermusik nicht unproblematisch: Im Zeichen der Musik, einer scheinbar unpolitischen Kunst, werden die Unterschiede zwischen Kollaborateuren und Opfern eingeebnet. Aber auch das ist bekanntlich keine singuläre Erfahrung.
Thomas Rothschild - TITEL MAGAZIN, Stuttgart, 07.10.2004

Josef Mayr: Toccata. Extraplatte EX 588-2
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